Ausprobiert: Crossfit

Ausprobiert: Crossfit

Training ist für die meisten Radsportler noch immer einfach auf dem Rad sitzen und fahren. Sicher wird oft mit Trainingsplänen und dem entsprechenden technischen Gerät gearbeitet, aber ein Aspekt, der gern vernachlässigt wird, ist die allgemeine Athletik. Sichtbar, vor allem bei Spätberufenen, an der schlimmen Haltung auf dem Rad, die leider mehr an Fernando Escatin erinnert als an Miguel Indurain. Spürbar wird die fehlende allgemeine Atheltik für viele erst bei kompetitiven Herausforderungen, wenn neben Beinen und Lunge, plötzlich auch Rücken, Nacken und Schultern zu schmerzen beginnen.

Literatur oder Youtube-Tutorials mit entsprechenden Übungen und Anleitungen finden sich genügend, allerdings – so unsere Erfahrung – kann das Training im Gym oder zu Hause ziemlich stumpf sein und es braucht ein hohes Maß an Selbstsdisziplin für die nötige Trainingsintensität. Auf der Suche nach Alternativen ging es nach etwas Recherche und einigen Gesprächen zur empfohlenen Crossfit-Box, um einen Einsteigerkurs zu buchen.

Aber zuerst: worum geht es beim Crossfit? Beim Crossfit werden Elemente aus dem Turnen, Olympisches Gewichtheben, Kraftdreikampf, Laufen und Bodyweight-Übungen zu einem abwechlungsreichen Trainingsmix mit dem Ziel verwoben, Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordination zu verbessern. Das Training ist mit einer Stunde kurz, aber für Ausdauersportler ungewohnt intensiv. Trainiert wird fast gerätefrei. Zwar finden sich in Crossfit-Boxen auch Ruder- und Skiegrometer sowie das Assault Bike, doch die meiste Zeit wird mit Kettelbells und Langhantel bzw. am Boden oder am Rack gearbeitet. Dabei gliedert sich die Einheit meist in drei aufeinander bezogene Blöcke – eine Erwärmung, wahlweise einen Technik- oder Kraftteil sowie einem kompetitiven Part.

Trainiert wird in kleinen Gruppen unter der Aufsicht von geschulten Coaches. Sie achten auf die richtige Ausführung der Übungen und korrigieren auch kleine Fehlstellungen. Hier liegt in unseren Augen der immense Vorteil zum Training im Gym oder zu Hause. Das schauen eines Youtube-Tutorials schützt noch nicht vor einer schlechten Technik, die schnell zu Überlastungen oder Verletzungen führen kann. Die Coaches kennen ihre Sportler, wissen um Stärken und Schwächen, kleine Zipperlein oder Bewegungsdfizite und passen das Training entsprechend an. Trotz der hohen Intensität muss sich daher niemand Sorgen um Überlastungen oder Verletzungen machen. Angenehm ist das Miteinander in der Traininggruppe, man kennt und schätzt sich, hilft und motiviert sich gegenseitig. Die Leistungsunterschiede spielen keine Rolle, vom Anfänger bis zum Semi-Pro, von jung bis alt wird gemeinsam trainiert.

Neben den täglichen WOD (Workout of the Day) bieten viele Crossfit-Boxen spezielle Kurse und Workshops an, die nicht nur Crossfit-spezifische Skills (z.B. Weightlifting, Bodyweight) verbessern. In der Box unserer Wahl werden auch für Radsportler interessante Kurse angeboten: z.B. zur sportspezifischen Ernährung, Mobilitykurse zur Verbesserung der Beweglichkeit oder Kurse für ältere Semester mit besonderem Augenmerk auf kognitive und koordinative Fähigkeiten. Gerade für eher grobmotorisch veranlagte Radsportler ist es erstaunlich wie viel Beweglichkeit und koordinatives Geschick es z.B. beim Olympischen Gewichthebens bedarf.

Das Crossfit-Training zeigt schon nach wenigen Wochen positive Effekte. Das intensive Training, der bei Radsportlern meist unterentwickelten Rumpfmuskulatur verbessert die Körperspannung merklich und sichtbar. Hinzu kommt eine verbesserte Beweglichkeit vor allem im Bereich des Sprunggelenks und des Schultergürtels. Auf dem Rad verbessert sich nicht nur die Haltung, durch die bessere Beweglichkeit steigt auch die Agilität. Das nimmt unerwarteten Ausweichmanövern den Schrecken und knifflige Singletrails sind angenehmer zu fahren. Über längere Kopfsteinpflasterpassagen oder Anstiege rollt es sich deutlich einfacher und vor allem ermüdungsfreier. Durch die hohe Intensität beim Crossfit fällt es leichter sich durch anstrengende Passagen zu ekeln. Ist der Anstieg unerwartet lang oder steil, ist etwas Tempohärte gefragt, ist es kein Problem den Kopf zuzuklappen und das Brennen in Lunge und Oberschenkel zu ertragen. Dies gilt umso mehr für Fahrer wie uns, die seit einigen Jahren keine Rennen mehr gefahren sind und bei denen Wettkampfhärte nur eine verschwommene Erinnerung ist.

Radsportler sollten für den Crossfit-Einstieg einige Punkte beachten. Die ersten zwei bis drei Wochen Training sind unweigerlich mit einem üppigen Muskelkater verbunden. Daher sollte nicht unmittelbar vor dem Saisonhöhepunkt der Einstieg erfolgen. Ein Einsteigerkurs ist obligatorisch und eine gute Box lässt niemanden ohne diesen trainieren. Hier werden die komplexen Bewegungsabläufe eingeübt und vor allem lernen die Coaches die Sportler und ihre Befindlichkeiten kennen. Wer Rennen fahren möchte, sollte mit den Coaches über die avisierten Trainingsziele sprechen, damit sie das Training abstimmen können. Wer die Berge hinauf muss, will nicht plötzlich mehr Muskeln mitschleppen als nötig.

Die Kosten liegen bei monatlich 100-150€, nicht ganz billig, aber das war Radsport nie. An Equipment braucht es neben Shirt & Short nicht viel. Crossfit-Schuhe sind zu empfehlen. Sie bieten vor allem bei der Arbeit mit der Langhantel mehr Stabilität als z.B. Laufschuhe und sind auch sonst deutlich robuster. Die Kosten hierfür liegen bei ca. 100-150€.

Insgesamt bietet Crossfit ein abwechslungsreiches und auf alle Bedürfnisse sowie Leistungsstände anpassbares Training. Vor allem wer Probleme hat, sich zu motivieren, wird beim Crossfit seine Heimat finden. Allerdings besteht – wie bei uns – auch die Gefahr plötzlich mehr Zeit in der Crossfit-Box zu verbringen als auf dem Rad.

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