Goetz Haubold – Berlin Kreuzberg – 45 – Dailybread


Von einem, der sich dem Fahrradthema auf seine ganze eigene Art und Weise näherte und dies auch stetig weiter tut – ein entspanntes Gespräch über velophile Entscheidungen, Erkenntnisse und kommende Projekte.

27.10.2012

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pcb: Wer ist Goetz Haubold?

Goetz: Ich bin 45 Jahre, hab seit 16 Monaten eine kleine Tochter, was dem Leben noch mal ganz andere Prioritäten gibt. Lebe seit fast 10 Jahren in Berlin, hab davor lange Zeit in Köln gelebt und ursprünglich komme ich aus Konstanz.

Eigentlich wollte ich Rahmenbauer werden und hatte fast ein Jahr bei Achim Nöll als Praktikant gearbeitet. Da das mit der Ausbildung nicht geklappt hat, habe ich an der Uni Konstanz eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht. Die Uni Konstanz hat eigene Werkstätten für Lehre und Forschung. Das war einfach super. Da wir nur Spezialaufträge für die Forschung hatten, habe ich alles gelernt was mir später bei der Umsetzung von Dailybread geholfen hat: Hartlöten, WIG-Schweißen, Titan schweißen etc.

Danach folgte ein Sozialpädagogikstudium, das ich nicht beendete, bin dann beim Fernsehen gelandet und habe dort viele Jahre das Casting für Talent- und Quizshows gemacht. 2004 war ein Punkt erreicht an dem ich auf die Fernsehbranche keinen Bock mehr hatte und mir überlegte, was ich ursprünglich mal machen wollte. Ich besann mich auf meine Leidenschaft fürs Fahrrad und dann entstand die Idee mit Dailybread.

pcb: Woher kommt deine Lust auf das Thema Fahrrad?

Goetz: Das war schon durch mein Elternhaus vorgegeben. Nicht das sie Radsportler gewesen wären, aber meine Eltern sind die Generation Mitte der 20er Jahre und sie sind auf ihrer Hochzeitsreise Anfang der 50er mit ihren Fahrrädern von München nach Venedig gefahren – über die Alpen, meine Mutter mit einem Bauer 3-Gang und mein Vater mit einem Bauer Singlespeed. So war das Fahrrad auch immer da. Mein älterer Bruder hat mich dann auch schnell an das Schrauben herangebracht und während der Schulzeit hab ich schon in diversen Radläden geschraubt.

pcb: War das Fahrrad für dich eher alltägliches Verkehrsmittel oder mehr Freizeit- und Sportgerät?

Goetz: Ich war nie ein extremer Sportler auf dem Fahrrad. Aber rund um Konstanz gibt es eine Menge Trails und da war ich viel mit dem Mountainbike unterwegs. Das Fahren war bei mir nie mit einem Leistungsgedanken verbunden. Als Sport bin ich lange Jahre Skateboard gefahren. Radfahren war schon immer mehr Spaß und Genuss. Was mich immer wieder fesselt, ist diese unglaubliche Simplizität des Gerätes und dass es sich seit einhundert Jahren nicht wirklich weiterentwickelt hat, weil es einfach schon so perfekt geboren wurde.

Man kann Materialien ändern, man kann Geometrien ändern, man kann Ausstattungen ändern aber grundsätzlich bleibt es ein Fahrrad. Man kann da nicht viel verbessern. Das ist einfach das Perfekte am Fahrrad. Es ist nicht nur ein unfassbar simples, effizientes, schönes Stück Technik, es ist ja die Erweiterung deines Körpers, um dich fortzubewegen, diese Mensch-Maschine wie Kraftwerk gemeint hat.

pcb: Bei deiner Begeisterung fürs Fahrrad, besitzt du ein Auto?

Goetz: Aus Überzeugung nicht, ich erledige alle Wege mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

pcb: Du hattest ja mit einigen Abstand zur Fahrradszene mit Dailybread begonnen. Wie lange hat die Umsetzung von der ersten Idee bis zur Eröffnung des Ladens gebraucht?

Goetz: Insgesamt hat es 4 Jahre gedauert. Im November 2004 hab ich damit angefangen und Mitte April 2008 den Laden eröffnet.

Das Rahmenkonzept war ziemlich schnell geboren. Den ersten Prototypen hatte ich schon nach einem halben Jahr zu stehen. Das Schwierigste war dann eigentlich das Aussuchen der Komponenten und Parts, weil ich einfach Sachen wollte, die meinem Anspruch gerecht wurden. Ich wollte ein Oberflächenfinish, das ich akzeptabel fand und nicht mit Logos zugepflastert war. Bei Komponenten, die ich in Taiwan bestellt habe, wollte ich eigene Vorstellungen umgesetzt sehen. Auf den Naben sollte das eigene Logo sein und für die Hinterradnabe brauchte ich eine andere Kettenlinie.

Ich hatte auch beim Exzenter-Tretlager einen Durchmesser von 58 statt der üblichen 55mm gewählt, um beim Wechsel von 28“ auf 26“ Laufrädern die nötige Variabilität für die Einstellung der Tretlagerhöhe zu erhalten. Dafür mussten dann auch eigene Exzenter produziert werden. Das hat sich über Jahre hingezogen.

Auch wenn du nur für hundert Teile bei den Produzenten anfragst, bist du bei denen ganz hinten im Korb der zu erledigenden Aufträge. Den Laden selbst einzurichten, dauerte knapp sechs Monate.

pcb: Wie wurde Dailybread nach der Eröffnung wahrgenommen?

Goetz: Die erste öffentliche Aufmerksamkeit gab es dann gleich im Blog der New York Times. Momus, ein Künstler, der unter anderem Namen für den Blog der Times schreibt, schrieb über eine seltsame Galerieeröffnung in seiner Straße und das war just die Eröffnung von Dailybread.

Aktives Marketing hab ich selbst nicht betrieben, aber es kamen einige Lifestyle- und Designmagazine auf mich zu, um über Dailybread zu berichten. Auch Spiegel Online berichtete vor ein oder zwei Jahren. Das alles hat schon sehr viel Aufmerksamkeit erzeugt.

pcb: Konntest du deinen Kunden vermitteln, dass du dir über jede Schraube am Rad Gedanken gemacht hast und wussten sie auch, dass darauf der Preis beruht?

Goetz: Ich denke schon. Der Preis war auch nie ein Diskussionspunkt.

pcb: Gab es den Typischen Dailybread-Kunden?
Goetz: In der Tendenz über 30, viele Selbstständige sicher auch aus dem kreativen Bereich aber auch viele Leute, die etwas mit Sport zu tun hatten und ein sportliches Stadtrad gesucht haben. Der typische Hipster war nicht dabei, eher Leute die einen individuellen Geschmack haben.

pcb: Hast du mehr online oder im Shop verkauft?

Goetz: Der erste Kontakt war meist digital, aber viele Kunden kamen dann nach Berlin, um das Rad abzuholen. Die meisten Räder habe ich auch außerhalb Berlins verkauft.

pcb: Wo fahren die entferntesten Dailybreads?

Goetz: Eins läuft in Wien, eins in Kopenhagen und in Südfrankreich ist auch eins unterwegs.

pcb: Was war dein emotionalster Moment mit Dailybread?

Goetz: Das war noch vor dem eigentlichen Start als ich auf der Eurobike 2006 guerillamarketingmäßig das Rad durch die Gänge geschoben hab. Was ich da für Reaktionen bekommen hab, war ein Highlight.

Ein Konzept wie Dailybread gab es damals noch nicht und die Leute haben sich nach dem Rad umgedreht, weil sie es verstanden haben und schön fanden oder haben den Kopf geschüttelt, weil sie nichts damit anfangen konnten.

Es kamen auch Leute auf mich zu wie Sky Yeager, die bei Bianchi USA als Chefdesignerin für die ganze Pista-Geschichte zuständig war. Sie hat mich dann zwei Tage an die Hand genommen und mich überall vorgestellt. Das war halt super, ein Feedback von Leuten zu bekommen, die kompetent in der Fahrradbranche drinstecken. Das waren richtige Glücksmomente. Du werkelst ja jahrelang vor dich hin und hast kein Feedback von außen, vielleicht ein paar Freunde und einige Leute, die dich in Berlin mit dem Prototypen gesehen haben.

pcb: Wann kam für dich die Entscheidung Dailybread in der Form nicht weiterzuführen?

Goetz: Das war nach der letzten Berliner Fahrradschau. Nicht das das Feedback schlecht war, ganz im Gegenteil. Aber es war offensichtlich, dass es Nachahmer gibt. Einige Hersteller bieten ähnliche Konzepte an, die auch gut umgesetzt sind. Ich will jetzt auch nicht sagen, dass es mein Verdienst ist. Vielleicht ist es auch einfach nur der Zeitgeist, der sich da niederschlägt und dass sich viele unterschiedliche Impulse dazu verdichtet haben für ein zeitgemäßes Design eines Stadtrades, das kein Trekkingrad ist.

pcb: Ärgert dich das oder siehst du es als Bestätigung?

Goetz: Ich fühle mich mittlerweile bestätigt. Anfangs dachte ich schon, dass mir das reinpfuscht, aber das hat sich sehr schnell gegeben. Ich hab mit dem Konzept nicht falsch gelegen und wenn es dazu führt, dass es mehr schöne Räder gibt, finde ich das gut. Aber die Nische, die ich hatte, gibt es jetzt nicht mehr und ich muss das Konzept ändern, worauf ich auch Lust habe.

pcb: Gibt es von anderen Herstellern Räder, die du gut findest und selbst fahren würdest?

Goetz: Da gibt es eine ganze Menge. Wenn ich heute ein günstiges Stadtrad haben wollte, das halbwegs gescheit aussieht und durchdacht ist, würde ich mir ein Cube Hyde oder ein Focus Palnet kaufen. Das sind zwar beides „Aluräder“, aber da würde selbst ich mal über meinen Schatten springen. Mit Kind bekommt der Aspekt des Transportierens ganz neue Qualitäten, ein Bullit wäre da natürlich ein Traum, allerdings gibts auch mittlerweile ganz schöne Cargobikes aus Stahl.

Ein tolles Produkt sind auch die Räder von Genesis aus England, die einfach das Konzept der Nabenschaltung konsequent umsetzen. Kona hat auch immer wieder nette Räder. Ich bin ja dem Mountainbike sehr verhaftet und Kona und Specialized haben für die Entwicklung eine Menge getan. Das Specialized RockCombo war z.B. auch Inspiration für Dailybread – ein ziemlich erfolgloses Crossover Bike das seiner Zeit (Mitte der 80er) weit voraus war. Insgesamt wurden davon glaube ich nur ca 500 St. produziert, es ist also fast so selten wie ein Herse.

pcb: Gibt es noch ein Rad auf deiner persönlichen Wunschliste?

Goetz: Komischerweise bin ich da ganz unprätentiös. Ich finde gut gemachte Serienräder, die auch selten sein können, unter Umständen genauso spannend wie eins von einem Rahmenbauer. Trotzdem, wenn es einen neuen Dailybread Rahmen geben sollte, wird es sicherlich in Richtung hochwertigen Custom Rahmen gehen. Letztens hatte ich bei eBay einen Peugeot PY10CP ersteigert; einen End-70er Manufakturrahmen, der noch über dem PX10 angesiedelt war – Reynolds SL, Sockel für Mafac-Direktmontage…

Da hatte ich unglaublich Glück, ihn in der passenden Größe und für nur 20€ zu bekommen, der wurde auf dem Transport leider komplett zusammengequetscht, sodass der Hinterbau Schrott ist. Wenn ich Zeit habe, werde ich da einen neuen Hinterbau dran bauen. Aber so richtig gibt es kein Rad auf der Wishlist. Vielleicht einen schönen Randonneur. Einen alten Mercier oder Singer aber letztlich sind die unerschwinglich und vielleicht auch überbewertet.

pcb: Wie sieht das Folgeprojekt aus?

Goetz: Wir, ich spreche jetzt mal im Plural, weil ein paar Leute die Randonneuridee verfolgen, versuchen z.B. Velo Orange Komponenten aus den USA nach Deutschland zu holen. Das soll jetzt in die Richtung Online-Shop für Randonneurteile gehen. Nicht weil ich denke, dass es ein modisches Thema ist sondern es ist für mich ein stimmiges, funktionelles Fahrradkonzept.

Vorbild sind die französischen Randonneure der 60er Jahre. Es ist ein sportliches Tourenrad, das kein Trekkingrad ist und perfekt ist für einen kurzen Wochenendtrip. Mit einem Frontgepäckträger und einer kleinen Decaleur-Tasche kann man das Wichtigste mitnehmen, um Samstags raus zu fahren, zu übernachten und Sonntags wieder zurück zu fahren.

pcb: Der Ansatz soll dem bisherigen von Dailybread entsprechen. Es soll schön sein und funktionieren?

Goetz: Ja, genau. Perspektivisch können wir uns auch als zweiten Schritt einen Randonneur-Rahmen vorstellen.

pcb: Wann soll es losgehen?

Goetz: Der Online-Shop sollte eigentlich schon seit Monaten laufen, ist aber grade wieder abgeschmiert. Die erste große Velo Orange Bestellung ist auf dem Weg. Es wird auch Teile von Jan Heine von Compass Bicycles geben, da 650B für Randonneure eine eine smarte Laufradgröße ist, werden wir auch Felgen und Reifen in dieser Richtung anbieten. Das erste Quartal 2013 ist als Start realistisch.

pcb: Wie bist du zur Berliner Fahrrad Schau gekommen?

Goetz: Ich bin seit der ersten Berliner Fahrrad Schau als Aussteller dabei. Dadurch kam der Kontakt zustande und mir hat die Veranstaltung von Anfang an sehr gut gefallen, weil sie sich doch sehr deutlich und angenehm von anderen Fahrradmessen unterscheidet. Sie integriert den Lifestyleaspekt stärker als andere, die Station als Location ist sehr charmant und in den letzten Jahren wurden auch tolle Aussteller herangezogen.

Für einen Fahrradnerd wie mich hast du auf der Fahrrad Schau die Hersteller zu Themen wie Velocuture, Designräder oder Rahmenbau komprimiert zusammen, wo du auf der Eurobike drei Tage nach suchst, bis du die Stände gefunden hast. Seit 2012 bin ich dabei und hab schon bei der letzten Fahrrad Schau mitorganisiert.

Ab 2013 habe ich die Kuratierung der Fahrradaussteller und Parts übernommen. Jetzt liegt es an mir, das erfolgreiche Konzept weiterzuführen, mit eigenen Ideen anzureichern und weiterhin spannend und interessant zu halten.

pcb: In welche Richtung soll sich die Berliner Fahrrad Schau entwickeln?

Goetz: Wir wollen perspektivisch wachsen, aber unser Gesicht behalten. Das Feedback der Aussteller zeigt ja, dass sie sich alle sehr wohl fühlen, weil die Stimmung sehr gut ist und ein breitgefächertes und interessiertes Publikum kommt. Insgesamt wollen wir noch internationaler werden. Berlin ist der ideale Standort, um über den deutschen Tellerrand hinaus zu schauen und unglaublich easy zu erreichen. Wir wollen mehr Aussteller aus dem europäischen Umland ansprechen, die auf dem deutschen Markt noch nicht so präsent sind, für die der Markt aber interessant ist.

Die Fahrrad Schau entwickelt sich auch mehr und mehr zu einer Ordermesse. Sie ist ja als reine Consumer Messe gestartet, aber wir merken, dass viele Händler sie auch als direkte Kontaktmöglichkeit zu den Herstellern nutzen. Für viele Händler ist es einfacher, wenn sie in Berlin auf kleinem Raum ihre Marken finden, als dafür drei Tage auf der Eurobike zu sein. Persönlich würde ich mich freuen, wenn die Fahrrad Schau auch eine Plattform für die gesamte europäische Rahmenbauszene werden würde.

pcb: Kannst du schon was über die kommende Fahrrad Schau sagen?

Goetz: Richtig viel kann ich noch nicht verraten, da jetzt erst die Buchungen losgehen. Wir haben uns aber verstärkt um internationale Aussteller bemüht, haben unsere Themenschwerpunkte nochmal klarer strukturiert und legen weiterhin Wert darauf, das diese Themen auch emotional abgebildet werden. Wir sind wohl die einzige Messe die ein explizites Beachflag und PopUp Zelt Verbot ausspricht, auch damit die ausgewählt tollen Produkte nicht im Meer von Werbebannern untergehen. Natürlich wird auch der Eventbereich noch stärker ausgebaut werden um die BesucherInnen interaktiv noch mehr einzubinden.

pcb: Viele Messen und Veranstaltungen versuchen sich über Wortkreationen Aufmerksamkeit zu verschaffen und auf den Berliner Straßen ist das Englisch kaum wegzudenken. Wie ist die Berliner Fahrrad Schau auf diesen urdeutschen Namen gekommen?

Goetz: Ich glaube, da gab es keinen Hintergedanken. Es war einfach naheliegend, dass man das so nennt. Das Problem ist natürlich die internationale Vermarktung. Berliner Fahrrad Schau ist ein wenig sperrig, um es z.B. in England als Brand zu etablieren. Aber vielleicht ist es irgendwann auch ganz cool so einen sperrigen Namen zu haben.

pcb: Wen hättest du persönlich noch gern auf der Berliner Fahrrad Schau 2013?

Goetz: Curtis Odom mit seinen Naben, Field Cycles aus Sheffield und Rapha komplett mit Racing Team und Coffee Van. Das sind nur drei aus einer langen Liste…

pcb: Vielen Dank für deine Zeit und den Kaffee.






















































pcb: Wer ist Goetz Haubold?

Goetz: Ich bin 45 Jahre, hab seit 16 Monaten eine kleine Tochter, was dem Leben noch mal ganz andere Prioritäten gibt. Lebe seit fast 10 Jahren in Berlin, hab davor lange Zeit in Köln gelebt und ursprünglich komme ich aus Konstanz.

Eigentlich wollte ich Rahmenbauer werden und hatte fast ein Jahr bei Achim Nöll als Praktikant gearbeitet. Da das mit der Ausbildung nicht geklappt hat, habe ich an der Uni Konstanz eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht. Die Uni Konstanz hat eigene Werkstätten für Lehre und Forschung. Das war einfach super. Da wir nur Spezialaufträge für die Forschung hatten, habe ich alles gelernt was mir später bei der Umsetzung von Dailybread geholfen hat: Hartlöten, WIG-Schweißen, Titan schweißen etc.

Danach folgte ein Sozialpädagogikstudium, das ich nicht beendete, bin dann beim Fernsehen gelandet und habe dort viele Jahre das Casting für Talent- und Quizshows gemacht. 2004 war ein Punkt erreicht an dem ich auf die Fernsehbranche keinen Bock mehr hatte und mir überlegte, was ich ursprünglich mal machen wollte. Ich besann mich auf meine Leidenschaft fürs Fahrrad und dann entstand die Idee mit Dailybread.

pcb: Woher kommt deine Lust auf das Thema Fahrrad?

Goetz: Das war schon durch mein Elternhaus vorgegeben. Nicht das sie Radsportler gewesen wären, aber meine Eltern sind die Generation Mitte der 20er Jahre und sie sind auf ihrer Hochzeitsreise Anfang der 50er mit ihren Fahrrädern von München nach Venedig gefahren – über die Alpen, meine Mutter mit einem Bauer 3-Gang und mein Vater mit einem Bauer Singlespeed. So war das Fahrrad auch immer da. Mein älterer Bruder hat mich dann auch schnell an das Schrauben herangebracht und während der Schulzeit hab ich schon in diversen Radläden geschraubt.

pcb: War das Fahrrad für dich eher alltägliches Verkehrsmittel oder mehr Freizeit- und Sportgerät?

Goetz: Ich war nie ein extremer Sportler auf dem Fahrrad. Aber rund um Konstanz gibt es eine Menge Trails und da war ich viel mit dem Mountainbike unterwegs. Das Fahren war bei mir nie mit einem Leistungsgedanken verbunden. Als Sport bin ich lange Jahre Skateboard gefahren. Radfahren war schon immer mehr Spaß und Genuss. Was mich immer wieder fesselt, ist diese unglaubliche Simplizität des Gerätes und dass es sich seit einhundert Jahren nicht wirklich weiterentwickelt hat, weil es einfach schon so perfekt geboren wurde.

Man kann Materialien ändern, man kann Geometrien ändern, man kann Ausstattungen ändern aber grundsätzlich bleibt es ein Fahrrad. Man kann da nicht viel verbessern. Das ist einfach das Perfekte am Fahrrad. Es ist nicht nur ein unfassbar simples, effizientes, schönes Stück Technik, es ist ja die Erweiterung deines Körpers, um dich fortzubewegen, diese Mensch-Maschine wie Kraftwerk gemeint hat.

pcb: Bei deiner Begeisterung fürs Fahrrad, besitzt du ein Auto?

Goetz: Aus Überzeugung nicht, ich erledige alle Wege mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

pcb: Du hattest ja mit einigen Abstand zur Fahrradszene mit Dailybread begonnen. Wie lange hat die Umsetzung von der ersten Idee bis zur Eröffnung des Ladens gebraucht?

Goetz: Insgesamt hat es 4 Jahre gedauert. Im November 2004 hab ich damit angefangen und Mitte April 2008 den Laden eröffnet.

Das Rahmenkonzept war ziemlich schnell geboren. Den ersten Prototypen hatte ich schon nach einem halben Jahr zu stehen. Das Schwierigste war dann eigentlich das Aussuchen der Komponenten und Parts, weil ich einfach Sachen wollte, die meinem Anspruch gerecht wurden. Ich wollte ein Oberflächenfinish, das ich akzeptabel fand und nicht mit Logos zugepflastert war. Bei Komponenten, die ich in Taiwan bestellt habe, wollte ich eigene Vorstellungen umgesetzt sehen. Auf den Naben sollte das eigene Logo sein und für die Hinterradnabe brauchte ich eine andere Kettenlinie.

Ich hatte auch beim Exzenter-Tretlager einen Durchmesser von 58 statt der üblichen 55mm gewählt, um beim Wechsel von 28“ auf 26“ Laufrädern die nötige Variabilität für die Einstellung der Tretlagerhöhe zu erhalten. Dafür mussten dann auch eigene Exzenter produziert werden. Das hat sich über Jahre hingezogen.

Auch wenn du nur für hundert Teile bei den Produzenten anfragst, bist du bei denen ganz hinten im Korb der zu erledigenden Aufträge. Den Laden selbst einzurichten, dauerte knapp sechs Monate.

pcb: Wie wurde Dailybread nach der Eröffnung wahrgenommen?

Goetz: Die erste öffentliche Aufmerksamkeit gab es dann gleich im Blog der New York Times. Momus, ein Künstler, der unter anderem Namen für den Blog der Times schreibt, schrieb über eine seltsame Galerieeröffnung in seiner Straße und das war just die Eröffnung von Dailybread.

Aktives Marketing hab ich selbst nicht betrieben, aber es kamen einige Lifestyle- und Designmagazine auf mich zu, um über Dailybread zu berichten. Auch Spiegel Online berichtete vor ein oder zwei Jahren. Das alles hat schon sehr viel Aufmerksamkeit erzeugt.

pcb: Konntest du deinen Kunden vermitteln, dass du dir über jede Schraube am Rad Gedanken gemacht hast und wussten sie auch, dass darauf der Preis beruht?

Goetz: Ich denke schon. Der Preis war auch nie ein Diskussionspunkt.

pcb: Gab es den Typischen Dailybread-Kunden?

Goetz: In der Tendenz über 30, viele Selbstständige sicher auch aus dem kreativen Bereich aber auch viele Leute, die etwas mit Sport zu tun hatten und ein sportliches Stadtrad gesucht haben. Der typische Hipster war nicht dabei, eher Leute die einen individuellen Geschmack haben.

pcb: Hast du mehr online oder im Shop verkauft?

Goetz: Der erste Kontakt war meist digital, aber viele Kunden kamen dann nach Berlin, um das Rad abzuholen. Die meisten Räder habe ich auch außerhalb Berlins verkauft.

pcb: Wo fahren die entferntesten Dailybreads?

Goetz: Eins läuft in Wien, eins in Kopenhagen und in Südfrankreich ist auch eins unterwegs.

pcb: Was war dein emotionalster Moment mit Dailybread?

Goetz: Das war noch vor dem eigentlichen Start als ich auf der Eurobike 2006 guerillamarketingmäßig das Rad durch die Gänge geschoben hab. Was ich da für Reaktionen bekommen hab, war ein Highlight.

Ein Konzept wie Dailybread gab es damals noch nicht und die Leute haben sich nach dem Rad umgedreht, weil sie es verstanden haben und schön fanden oder haben den Kopf geschüttelt, weil sie nichts damit anfangen konnten.

Es kamen auch Leute auf mich zu wie Sky Yeager, die bei Bianchi USA als Chefdesignerin für die ganze Pista-Geschichte zuständig war. Sie hat mich dann zwei Tage an die Hand genommen und mich überall vorgestellt. Das war halt super, ein Feedback von Leuten zu bekommen, die kompetent in der Fahrradbranche drinstecken. Das waren richtige Glücksmomente. Du werkelst ja jahrelang vor dich hin und hast kein Feedback von außen, vielleicht ein paar Freunde und einige Leute, die dich in Berlin mit dem Prototypen gesehen haben.

pcb: Wann kam für dich die Entscheidung Dailybread in der Form nicht weiterzuführen?

Goetz: Das war nach der letzten Berliner Fahrradschau. Nicht das das Feedback schlecht war, ganz im Gegenteil. Aber es war offensichtlich, dass es Nachahmer gibt. Einige Hersteller bieten ähnliche Konzepte an, die auch gut umgesetzt sind. Ich will jetzt auch nicht sagen, dass es mein Verdienst ist. Vielleicht ist es auch einfach nur der Zeitgeist, der sich da niederschlägt und dass sich viele unterschiedliche Impulse dazu verdichtet haben für ein zeitgemäßes Design eines Stadtrades, das kein Trekkingrad ist.

pcb: Ärgert dich das oder siehst du es als Bestätigung?

Goetz: Ich fühle mich mittlerweile bestätigt. Anfangs dachte ich schon, dass mir das reinpfuscht, aber das hat sich sehr schnell gegeben. Ich hab mit dem Konzept nicht falsch gelegen und wenn es dazu führt, dass es mehr schöne Räder gibt, finde ich das gut. Aber die Nische, die ich hatte, gibt es jetzt nicht mehr und ich muss das Konzept ändern, worauf ich auch Lust habe.

pcb: Gibt es von anderen Herstellern Räder, die du gut findest und selbst fahren würdest?

Goetz: Da gibt es eine ganze Menge. Wenn ich heute ein günstiges Stadtrad haben wollte, das halbwegs gescheit aussieht und durchdacht ist, würde ich mir ein Cube Hyde oder ein Focus Palnet kaufen. Das sind zwar beides „Aluräder“, aber da würde selbst ich mal über meinen Schatten springen. Mit Kind bekommt der Aspekt des Transportierens ganz neue Qualitäten, ein Bullit wäre da natürlich ein Traum, allerdings gibts auch mittlerweile ganz schöne Cargobikes aus Stahl.

Ein tolles Produkt sind auch die Räder von Genesis aus England, die einfach das Konzept der Nabenschaltung konsequent umsetzen. Kona hat auch immer wieder nette Räder. Ich bin ja dem Mountainbike sehr verhaftet und Kona und Specialized haben für die Entwicklung eine Menge getan. Das Specialized RockCombo war z.B. auch Inspiration für Dailybread – ein ziemlich erfolgloses Crossover Bike das seiner Zeit (Mitte der 80er) weit voraus war. Insgesamt wurden davon glaube ich nur ca 500 St. produziert, es ist also fast so selten wie ein Herse.

pcb: Gibt es noch ein Rad auf deiner persönlichen Wunschliste?

Goetz: Komischerweise bin ich da ganz unprätentiös. Ich finde gut gemachte Serienräder, die auch selten sein können, unter Umständen genauso spannend wie eins von einem Rahmenbauer. Trotzdem, wenn es einen neuen Dailybread Rahmen geben sollte, wird es sicherlich in Richtung hochwertigen Custom Rahmen gehen. Letztens hatte ich bei eBay einen Peugeot PY10CP ersteigert; einen End-70er Manufakturrahmen, der noch über dem PX10 angesiedelt war – Reynolds SL, Sockel für Mafac-Direktmontage…

Da hatte ich unglaublich Glück, ihn in der passenden Größe und für nur 20€ zu bekommen, der wurde auf dem Transport leider komplett zusammengequetscht, sodass der Hinterbau Schrott ist. Wenn ich Zeit habe, werde ich da einen neuen Hinterbau dran bauen. Aber so richtig gibt es kein Rad auf der Wishlist. Vielleicht einen schönen Randonneur. Einen alten Mercier oder Singer aber letztlich sind die unerschwinglich und vielleicht auch überbewertet.

pcb: Wie sieht das Folgeprojekt aus?

Goetz: Wir, ich spreche jetzt mal im Plural, weil ein paar Leute die Randonneuridee verfolgen, versuchen z.B. Velo Orange Komponenten aus den USA nach Deutschland zu holen. Das soll jetzt in die Richtung Online-Shop für Randonneurteile gehen. Nicht weil ich denke, dass es ein modisches Thema ist sondern es ist für mich ein stimmiges, funktionelles Fahrradkonzept.

Vorbild sind die französischen Randonneure der 60er Jahre. Es ist ein sportliches Tourenrad, das kein Trekkingrad ist und perfekt ist für einen kurzen Wochenendtrip. Mit einem Frontgepäckträger und einer kleinen Decaleur-Tasche kann man das Wichtigste mitnehmen, um Samstags raus zu fahren, zu übernachten und Sonntags wieder zurück zu fahren.

pcb: Der Ansatz soll dem bisherigen von Dailybread entsprechen. Es soll schön sein und funktionieren?

Goetz: Ja, genau. Perspektivisch können wir uns auch als zweiten Schritt einen Randonneur-Rahmen vorstellen.

pcb: Wann soll es losgehen?

Goetz: Der Online-Shop sollte eigentlich schon seit Monaten laufen, ist aber grade wieder abgeschmiert. Die erste große Velo Orange Bestellung ist auf dem Weg. Es wird auch Teile von Jan Heine von Compass Bicycles geben, da 650B für Randonneure eine eine smarte Laufradgröße ist, werden wir auch Felgen und Reifen in dieser Richtung anbieten. Das erste Quartal 2013 ist als Start realistisch.

pcb: Wie bist du zur Berliner Fahrrad Schau gekommen?

Goetz: Ich bin seit der ersten Berliner Fahrrad Schau als Aussteller dabei. Dadurch kam der Kontakt zustande und mir hat die Veranstaltung von Anfang an sehr gut gefallen, weil sie sich doch sehr deutlich und angenehm von anderen Fahrradmessen unterscheidet. Sie integriert den Lifestyleaspekt stärker als andere, die Station als Location ist sehr charmant und in den letzten Jahren wurden auch tolle Aussteller herangezogen.

Für einen Fahrradnerd wie mich hast du auf der Fahrrad Schau die Hersteller zu Themen wie Velocuture, Designräder oder Rahmenbau komprimiert zusammen, wo du auf der Eurobike drei Tage nach suchst, bis du die Stände gefunden hast. Seit 2012 bin ich dabei und hab schon bei der letzten Fahrrad Schau mitorganisiert.

Ab 2013 habe ich die Kuratierung der Fahrradaussteller und Parts übernommen. Jetzt liegt es an mir, das erfolgreiche Konzept weiterzuführen, mit eigenen Ideen anzureichern und weiterhin spannend und interessant zu halten.

pcb: In welche Richtung soll sich die Berliner Fahrrad Schau entwickeln?

Goetz: Wir wollen perspektivisch wachsen, aber unser Gesicht behalten. Das Feedback der Aussteller zeigt ja, dass sie sich alle sehr wohl fühlen, weil die Stimmung sehr gut ist und ein breitgefächertes und interessiertes Publikum kommt. Insgesamt wollen wir noch internationaler werden. Berlin ist der ideale Standort, um über den deutschen Tellerrand hinaus zu schauen und unglaublich easy zu erreichen. Wir wollen mehr Aussteller aus dem europäischen Umland ansprechen, die auf dem deutschen Markt noch nicht so präsent sind, für die der Markt aber interessant ist.

Die Fahrrad Schau entwickelt sich auch mehr und mehr zu einer Ordermesse. Sie ist ja als reine Consumer Messe gestartet, aber wir merken, dass viele Händler sie auch als direkte Kontaktmöglichkeit zu den Herstellern nutzen. Für viele Händler ist es einfacher, wenn sie in Berlin auf kleinem Raum ihre Marken finden, als dafür drei Tage auf der Eurobike zu sein. Persönlich würde ich mich freuen, wenn die Fahrrad Schau auch eine Plattform für die gesamte europäische Rahmenbauszene werden würde.

pcb: Kannst du schon was über die kommende Fahrrad Schau sagen?

Goetz: Richtig viel kann ich noch nicht verraten, da jetzt erst die Buchungen losgehen. Wir haben uns aber verstärkt um internationale Aussteller bemüht, haben unsere Themenschwerpunkte nochmal klarer strukturiert und legen weiterhin Wert darauf, das diese Themen auch emotional abgebildet werden. Wir sind wohl die einzige Messe die ein explizites Beachflag und PopUp Zelt Verbot ausspricht, auch damit die ausgewählt tollen Produkte nicht im Meer von Werbebannern untergehen. Natürlich wird auch der Eventbereich noch stärker ausgebaut werden um die BesucherInnen interaktiv noch mehr einzubinden.

pcb: Viele Messen und Veranstaltungen versuchen sich über Wortkreationen Aufmerksamkeit zu verschaffen und auf den Berliner Straßen ist das Englisch kaum wegzudenken. Wie ist die Berliner Fahrrad Schau auf diesen urdeutschen Namen gekommen?

Goetz: Ich glaube, da gab es keinen Hintergedanken. Es war einfach naheliegend, dass man das so nennt. Das Problem ist natürlich die internationale Vermarktung. Berliner Fahrrad Schau ist ein wenig sperrig, um es z.B. in England als Brand zu etablieren. Aber vielleicht ist es irgendwann auch ganz cool so einen sperrigen Namen zu haben.

pcb: Wen hättest du persönlich noch gern auf der Berliner Fahrrad Schau 2013?

Goetz: Curtis Odom mit seinen Naben, Field Cycles aus Sheffield und Rapha komplett mit Racing Team und Coffee Van. Das sind nur drei aus einer langen Liste…

pcb: Vielen Dank für deine Zeit und den Kaffee.