Zweifelhafter Mehrwert

Zweifelhafter Mehrwert

Das Thema eMobility belebte in den letzten Jahren merklich die Fahrradbranche. Gerade im urbanen Bereich sieht man immer mehr Pedelecs. Die Postfrau, Mütter und Väter mit Kinderanhänger, Lastenradfahrer, der Nachbar auf dem Weg ins Büro – all das ist mittlerweile Normalität und die bipedale eMobility wird in Zukunft viele Menschen aufs Fahrrad bringen, die heute noch nicht daran denken.

So war es nur eine Frage der Zeit bis die ersten Hersteller versuchen würden mit Pedelecs im Sportsegment zu reüssieren. Das Rezept: das bekannte Mittelmotor-Konzept mit 350W und eine Unterstützung bis 45Km/h. Aber hier zeigt sich, dass nicht alles, was sich technisch umsetzen läßt auch sinnvoll ist. Über Sinn und Unsinn von Elektro-Rennrädern hatten wir uns schon geäußert. Hier nun ein Pendant für den Offroad-Ensatz. Dieses Flyer wurde speziell für Frauen entwickelt. Kurz zusammengefasst: 650B, 120mm Federweg, Shimano XT, 350W Mittelmotor, Unterstützung bis 45km/h aber auch ein Gewicht von 23kg und mehr.

Die Marketingabteilungen sprechen bei solchen Rädern gern von der Demokratisierung des Waldes, da sie auch leistungsschwachen FahrerInnen die Möglichkeit geben, die bisher unerreichbaren Trails zu befahren. Leider vermitteln sie so den Eindruck, dass ein Knopfdruck ausreicht, um adäquat und sicher im Gelände zurecht zu kommen. Doch so einfach ist es nicht. Für einen kniffligen Anstieg braucht es neben der nötigen Kraft auch die entsprechende Fahrtechnik, bei einer anspruchsvollen Abfahrt sieht es ähnlich aus. Erfahrungsgemäß steht die Fahrtechnik meist im direkten Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit. Hier kann das vermittelte Sicherheitsgefühl für unerfahrene FahrerInnen im schlimmsten Fall ziemlich gefährlich werden.

Auch die Vorstellung, dass eine Fahrerin von vielleicht 50kg ein Rad durch einen verwinkelten Trail wuchtet, das knapp die Hälfte ihres Körpergewichts wiegt, läßt leise Zweifel an diesem Konzept aufkommen. Von einer Demokratiesierung des Waldes kann nur bedingt die Rede sein, da wenig versierte Fahrerinnen trotz der Mehrleistung in anspruchsvollen Passagen Probleme bekommen werden. Und das kann selbst im Grunewald oder den Müggelbergen geschehen, da es auch dort Ecken gibt, die einiges an fahrerischen Geschick erfordern. Das von Flyer favorisierte Mittelmotorkonzept mit knapp 10kg Mehrgewicht, scheint nur wenig tauglich für den ambitionierten Geländeeinsatz. Es ist schlicht zu schwer, raubt dem Rad die Agilität und ist im anspruchsvollem Gelände eher hinderlich.

2 Comments

  • 14. Februar 2013 at 10:58 · Antworten

    Ich habe zwei Probleme mit Eurem Statement zum Flyer.

    Zum einen ist ein 9 Kg schweres AM ein anderes Fahrrad als ein 25 Kg schweres, motorunterstütztes Mountainbike. Ich denke an diesem Punkt solltet Ihr etwas differenzierter vorgehen.

    Was mich aber wirklich stört ist Eure Ansicht, dass unter den wenig versierten FahrerInnen vor allem Frauen nicht mit schweren Fahrrädern zurecht kommen. Warum?
    Können nur Männer mit schweren Maschinen umgehen? Oder sind Frauen nur für die Geländefahrten nicht geeignet?
    Sollten elektrisch unterstütze Mountainbikes nicht für Frauen entwickelt werden?

    Eure Rezension des Flyer klingt mir nach Unverständnis für neue Radkonzepte und nach sexistischer Kackscheiße!

    • pcb Author
      15. Februar 2013 at 07:47 · Antworten

      Die Kommentarfunktion ist eine schöne Sache und für Anmerkungen, Vorschläge oder Kritik sind wir immer offen und dankbar. Allerdings würden wir uns wünschen, dass Kommentare die von uns eine differenziertere Sichtweise einfordern, dies sprachlich in einer ebenso differenzierten Form tun. Wir sind immer bemüht keine Kackscheiße zu schreiben, mühen uns redlich darum ordentlich zu recherchieren und versuchen immer eine Sache – ob sie uns gefällt oder nicht – aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Natürlich fließen dabei auch unsere Meinungen, Ansichten und Erfahrungen in die Artikel ein, aber genau das ist die Idee eines Blogs.

      Aber zu deinen Fragen: Generell stehen wir neuen Radkonzepten mit großer Neugier gegenüber – manchmal skeptisch, manchmal nicht. Bevor wir uns eine abschließende Meinung bilden, schauen wir uns die Idee und die technische Umsetzung eines Konzepts an, probieren es aus und schauen, ob es alternative oder ähnliche Konzepte gibt. Vor allem im Mountainbikebereich gab es in den letzten 25 Jahren unzählige Ideen, die zwar charmant und gut gemeint aber eher untauglich waren (Breezer Beamer, Slingshot, Laiti etc.pp.). Die Idee Leistungsunterschiede zwischen FahrerInnen auch bei MTBs auszugleichen, finden wir sinnvoll und gut. Sie hat bei richtiger Umsetzung das Potenzial viele Leute mit Spass aufs Rad zu bringen, die sich das bisher nicht zutrauten. Allerdings ist diese technische Umsetzung dafür suboptimal und für Fahranfänger mitunter gefährlich. Der Mittelmotor ist für alles, was auf Asphalt stattfindet ein bewährtes und funktionales System. Bei einem MTB beeinflußt das üppige Mehrgewicht spürbar das Fahrverhalten. Für ein MTB mit E-Motor wäre unsere Wahl ein Gruber/Vivax Assist. Dieses System wiegt knapp 2 kg und bietet mit 200W für 100 Minuten genügend Leistung. Ein Fahrradgewicht von 12-13kg ist da durchaus realistisch und verspricht wesentlich mehr Fahrspass und ist unkritischer zu handhaben. Des Weiteren haben wir versucht mit der gendersensitiven Formulierung FahrerInnen zu beschreiben, dass nicht nur Frauen mit diesem Konzept nicht glücklich werden. Dass wir im letzten Absatz eine Frau als Beispiel herangezogen haben, liegt schlicht daran, dass dieses Rad für Frauen konzipiert wurde und um zu verdeutlichen, dass es u.U. ein deutliches Missverhältnis von Fahrrad- zu Fahrer(innen)gewicht gibt. Wir werden in Zukunft versuchen den interpretatorischen Spielraum unserer Artikel zu minimieren, schon damit uns nicht undifferenziert irgendwelche -ismen unterstellt werden.

      Mit besten Grüßen


Leave a Comment